Mittwoch, 1. April 2009

... der letzte Eintrag

Das "Book of Sand" in Borges gleichnamiger Geschichte hat keinen Anfang und kein Ende, keine Seite kann mehr als einmal gelesen werden, ein "universal set", die Freiheit und die Ketten unserer Entscheidungen, Kairos, Gegenwart als kondensierte Moeglichkeiten, nichts als Schmetterlingssammeln. In der Geschichte kann der Protagonist diese Usicherheiten letztendlich nicht mehr ertragen und versteckt das Buch in einer Bibliothek, wo es in der fast Unendlichkeit aller Worte verloren geht.
Borges Leben hatte natuerlich einen Anfang und ein Ende, und kurz vor seinem Tod, blind und doch einer der groessten Seher in der suedamerikanischen Litheratur (neben Saramago vielleicht) kommt dieser grosse, ernste, staunende Mann zu folgender Erkenntniss:
"Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, im nächsten Leben, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen. Ich würde nicht so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen. Ich wäre ein bisschen verrückter, als ich es gewesen bin. Ich würde viel weniger Dinge so ernst nehmen. Ich wüde mehr riskieren, wüde mehr reisen, Sonnenuntergäge betrachten, mehr bergsteigen, mehr in Flüssen schwimmen ... Wenn ich noch einmal leben könnte, würde ich von Frühlingsbeginn an bis in den Spätherbst hinein barfuss gehen. "
Ich schaue an mir herunter, die Schuhe stehen vor der Tuer. Heureka, Borges i yo.

Trotz dem glorreichen Verlust meiner Schuhe naehrt sich auch meine Reise ihrem Ende.
Ich habe "Travels with Charly" von Steinbeck nie bis zur letzten Seite lesen koennen, ich weiss dass der Autor heimkehrt, nie wieder aufbricht und bald stirbt, doch in meinem Kopf sind es immer noch ein paar Seiten, die Reise wurde nie bis zum Ende erzaehlt, und genauso soll nun auch dieser Blog enden.
Ich bin in Indien, ich verlasse den Raum, trete auf die ueberfuellte Strasse, lasse meine Schuhe stehen und jetzt gerade ...

Donnerstag, 26. März 2009

Kurzgeschichten 2

Vieles hat sich veraendert, der Alltag wirft schon seinen Schatten voraus und auf mich warten Bewerbungen, Rechnungen, Dr. Arbeit … und trotzdem, gerade deswegen, noch einmal ein paar Geschichten aus einer schwereloseren Zeit.

Die U-Bahn ist voll, nicht voll in dem Sinne, dass kein Sitzplatz mehr vorhanden ist und die ersten Fahrgaeste im Gang stehen, nicht voll in dem Sinne, dass alle Sitzplaetze besetzt sind und der Gang dazwischen mit Leuten gefuellt ist, nicht voll in dem Sinne, dass man kaum noch einsteigen kann, nein, so voll, dass es unmoeglich ist, dass alle Fahrgaeste gleichzeitig einatmen, weil sonst der Zug auseinanderplatzen wuerde.
Ich habe einen Ellenbogen an meiner Schlaefe, meine Nase fast in der Achselhoehle eines anderen Arms, auf jedem Fuss stehen zwei weitere Fuesse, meine linke Hand hat sich einen Weg durch einen Dschungel von Leibern gebahnt bis zu einem sicheren Griff um eine der Haltestangen, denn bei jedem Bremsmanoever drueckt eine undefinierbare Masse an Baeuchen, Beinen, Armen, Koepfen gegen mich und bei jedem Stopp, wenn sich die Tueren oeffnen drohe ich einfach aus der Bahn hinauszuquellen.
Irgendwann bohrt sich eine unangenehmes, relative spitzes Etwas in meine Seite, ich schaue so gut es geht an mir herunter, erhasche einen Blick auf die Gegend um mein linkes Nierenlager und auf den Lauf einer Maschinenpistole, die genau darauf ziehlt.
Das andere Ende der Waffe haengt ueber der Schulter eines Soldaten, der mit seinen zwei Kamaraden wohl gerade auf Feierabendfahrt ist, alle drei ihre Waffen mit in der ueberfuellten U-Bahn, die Laeufe in die Menge gerichtet.
Ich gebe den sicheren Griff um die Haltestange auf, tippe ihm vorsichtig, ja nicht bedrohlich wirkend, auf die Schulter und als ich seine Aufmerksamkeit habe auf den Lauf seiner Waffe, die sich weiter in meine Seite bohrt.
Er laechelt freundlich “Oh, no, safe, safe” dann greift er in seine Tasche und zeigt mir das Magazin, dass er vorsorglich vor dem Einsteigen herausgenommen hat. Ich scheine nicht besonders beruhigt zu wirken, denn mit einer umstaendlichen Bewegung rueckt er sich gerade und die Maschinenpistole ziehlt jetzt nur noch auf meine Kniekehle.
“Which Country, you?”
“Germany”
“Oh, great country, you like India?”
“Yes, India is great”
Er laechelt noch breiter und obwohl meine letzte Aussage vollkommen der Wahrheit entspricht, haette ich mich wahrscheinlich auch nicht getraut irgend etwas anderes zu behaupten.

Ich bin in zu einem Empfang in den altehrwuerdigen Calcutta Rowing Club eingeladen.
Am Ufer der Rabindra Sarobar, in und um das Bootshaus im Kolonialstil stehen weiss gedeckte Tische, kleine Grueppchen stehen in der milden Abendbrise in ihr jeweiliges Gespraech vertieft, von der Moschee auf der Insel im See ruft der Muezin und es gibt indisches Fingerfood, Cold Drinks, und indischen Wiskey mit viel Eis.
Ich stehe bei einer Gruppe von Aerzten aus dem Cancer Center und das Thema des Abends ist Kindererziehung. Ein aelterer, distinguierter Herr fragt ausgerechnet mich, ob er seinem Enkel ein Schlagzeugset kaufen soll, obwohl dieser die vereibarten Grades in seinem Zeugnis knapp verfehlt hat.
Durch das Eis meines Wiskeyglases sehe ich das Schlagzeug vor mir, dahinter eine fantastische musikalische Karriere. “Yes of course, you should”

An einem meiner ersten, noch arbeitsfreien Tage, in der Stadt fluechte ich fuer ein paar ruhige Minuten in den Park und dort ezaehlt mir ein Schuljunge, als Ausgleich, dass er ein paar Minuten Musik von meinem I-Pod hoeren kann die Geschichte von Kali, der Goettin, deren wichtigster Schrein hier in der Stadt steht.
Kali wurde einst von Durga erschaffen (einige Geschichten sprechen auch davon, dass Kali eine Reinkarnation von Durga ist, beides wahrscheinlich kein Widerspruch) um die Erde von den Daemonen zu befreien. Also kam Kali, die kaempfende Goettin auf die Erde und nach aeonenlangen, blutigen Schlachten hatte sie alle Daemonen getoetet und ihre abgeschlagenen Koepfe in ihrer Halskette gesammelt. Was nicht abzusehen war, war das Kali nicht in der Lage war die Daemonen von den Menschen zu unterscheiden und so begann sie, nachdem alle Daemonen verschwunden waren, Jagd auf die Menschen zu machen. Erst als Shiva, geweckt vom Wehklagen der leidenden Menschheit einschritt, wurde Kali ihre Schlachtenblindheit bewusst, und sie warf sich in den Dreck vor Shiva und als Zeichen der Schahm trat ihre Zunge hervor, unfaehig ein Wort zu sprechen.
Und genauso wird Kali hier von den Indern verehrt, als die sich ewig schaehmende Goettin, mit entbloester, stummer Zunge und der Halskette aus Schaedeln als Zeichen ihres Versagens.

Ich habe den Momos Stand wieder gefunden, er ist genau gegenueber der Metrostation Rabindra Sadan, an der Ecke Bose Rd zu Chowingree Rd.

Ich war im Kino, in “the strange story of Benjamin Button” und auf dem Heimweg, nachts durch die Gassen dieser fremden, vertrauten Stadt kommt mir ein Zitat in den Sinn und ich weiss beim besten Willen nicht mehr woher es stammt.
“All das Bemuehen, all die Streitereien und enttaeuschten Erwartungen, die Kritiker und Kritiken, das ganze Theater nur, damit wir irgendwann, von Zeit zu Zeit, hingerissen das Leben spielen, nicht an Beifall denkend.”

Montag, 16. März 2009

"El jardín de senderos que se bifurcan"

... noch ein schoener Gedanke.
"Die Zeit ist eine Scheibe. Unser Leben nur eine Reihe von Entropiekonfigurationen, denen unser Verstand eine Richtung gibt. Ausserhalb unseres Kopfes ist alles gleichzeitig. Unsere vermessene, verrinnende Zeit ist nur eine Markoff Chain unter vielen." ;)
so, jetzt ist aber Schluss! ...

Sonntag, 15. März 2009

Jackson Brown vs. Rabindranath Tagore

... jetzt kommt mal ein kleiner "show off" Beitrag ... "hope you don't mind the pretender"...
Ich habe eine alte Bibliothek entdeckt, und was fuer eine, nichts mit Hanni und Nanni und den Gesammelten Werken Grishams und nachdem ich die letzten Wochen erschreckend wenig gelesen habe, verschlinge ich nun geradezu alles was mir in die Finger kommt. Mit einer Buergschaft von unserem Klinikdirektor habe ich sogar eine begrenzte Mitgliedschaft bekommen und jetzt stapeln sich die Buecher in meinem kleinen, rosa Zimmer. Ein 2000 Seiten Waelzer ueber die Entwicklung der Poesie in Indien von Urzeiten bis in die koloniale Vergangenheit, daneben Oppenheimers "War and the Nations", "Gitanjali" von Tagore sowie ein Buch ueber sein Verhaeltnis zu seinen europaeischen Kollegen, "The Mathematical Theory of Communication" von Shannon und Weaver, ein paar gebundene Essays von Einstein zu "Religion and Science" und von Carl Sagan ueber wissenschaftliche Methodik ...
Also jetzt, nach vielen Zeilen ueber raeumliches Reisen nun ein paar Zeilen, gebeugt ueber einen kleinen Tisch, oder ausgestreckt auf meinem Bett.

Aus dem dicksten Buch nur ein kurzes Gedicht aus Kashmir im 16. Jh.
"The soul as the Moon is new,
and everyday new again,
and I've seen the ocean
constantly creating"
Vielleicht ist es eine Frage des Kontext und Interpretation meinerseits, aber die einfache Klarheit der Wortwahl, der Bruch der Perspektive nach den ersten zwei Zeilen und die trotzdem komplette Abgeschlossenheit und Schluessigkeit des kurzen Verses zeigen eine aesthetische Virtuositaet wie man sie auch in japanischen Haikus oder den kurzen Gedichten der europaeischen Nachkriegsagonie wiederfindet.
Man erfuehlt praktisch eine, sicherlich nicht real existente, Verbindung zwischen diesem Gedicht, Matsuo Bashu ("Stillness, the cicada's cry, sinks into the rock") und dem spaeten Paul Celan ("Abgeschlagen bei den Himmelskaefern im Berg, den Tod den du mir schuldig bliebst, ich trag ihn aus")
Vielleicht fantasiere ich aber auch nur ... "frog jumps from the pond, the sound of water: Klerplonk"

Oppenheimers "War and the Nation" ist dafuer erschreckend real, obskurer Weise aber nicht weniger lyrisch. Oppenheimer, der bei der Detonation der ersten Atombombe, halb geblendet vom eigenen Erfolg, halb geschockt von den sich aufzeigenden Konsequenzen" die orginalen Sanskritverse des Bhagavad-Gita zitierte ("I am become Death, the destroyer of worls") zeigt sich hier (1962) fast verwundert dass die Menschheit nun schon 16 Jahre lang der eigenen nuklearen Vernichtung entgegenstrebt und trotzdem bis jetzt ueberlebt hat.
Am Ende eines Abschnitts der endlos um die Verantwortung der Wissenschaft kreist, erlaubt er sich einen fast naiven Traum von einer Welt "... which is varied and cherishes variety, wich is free and cheriches freedom and which is freely changing to adapt to the inevitable needs of change in the twentieth century and all centuries to come, but a world which, with all its variety, freedom and change, is without nation states armed for war and above all, a world without war."
Eines meiner Lieblingsbilder von Henrie-Cartier Bresson zeigt einen gealterten Oppenheimer, gebeugt hinter seinem Schreibtisch der ihn fast bedrohlich an die Wand zu druecken scheint, die Augen wach und traurig und in eine unfassbare Ferne gerichtet und die Stirn mit Sorgen durchzogen.

Aus "Gitanjali" werde ich sicherlich noch oft zitieren ......... da komme ich dann auch zu Jackson Brown.

Mit"The Mathematical Theory of Communication" von 1949 revolutionierte Claude Shannon das grundlegende, mathematische Verstaendnis informationsverarbeitender Systeme.
Ausgehend von den vorherrschenden Modellen, die "Information" als den Logarithmus der Nummer von moeglichen Entscheidungen ueber eine gewisse Zeit definieren, naehrte er sich, mit dem Verstaendnis von Informationssequenzen als "Markoff chain" der klassischen Boltzmann Formel zur Beschreibung der Entropie an.
Kurzgesagt sind die Einzelteile einer Informationssequenz, z.B. die Woerter eines Satzes, in gewissem Grade voneinander abhaengig. Es ist z.B. sehr wahrscheinlich dass auf die Sequenz "in the event" ein "that" folgt, nicht ein "elephant". So ist es moeglich in allen Systemen der Informationstransduktion relative Freiheiten und Redundanzen zu identifizieren, die von der Struktur und Moeglichkeiten des Systems und dessen Kontext abhaengen. Die Mathematik hat also bewiesen dass der Inhalt einer Information von der verwendeten Sprache und dem Kontext der Rezeption abhaengig ist ...
Dies veranlasste Shannon zu seinem Modell, dass nicht nur Information wertet, sondern die "Wertigkeit" einer Information, gemessen an dem Masse wie sie die Unsicherheit ueber den Zustand eines beliebigen Systems verringert, dem "surprise value".
So ist, in unserem Kontext, die Information "Es regnet in der Sahara" hoeherwertig als die Information "Es regnet in London", da letztere nur den wahrscheinlichsten Zustand eines Systems bestaetigt, das uns zudem noch relativ vertraut ist. (sorry London)
Ich bin kein Mathematiker und kann vielleicht mit den Namen von beruehmten Formeln um mich werfen, vielleicht ihre Prinzipien verstehen, aber sicher nicht damit rechnen. Ich habe mich die letzten Jahre aber intensiv mit Signaltransduktionsmechanismen auf zellulaerer Ebene beschaeftigt und ich finde es immer wieder faszinierend, wie verschiedene Disziplinen um ein einziges Problem kreisen und dann aus vollkommen verschiedenen Richtungen zu kongruenten Ergebnissen kommen.

Kommen wir zu Einstein. In den Essays zu "Religion and Science" vertritt Einstein die These einer "evolutionaeren Entwicklung von Religiositaet", ausgehend von den Beduerfnissen von primitiven Kulturen nach einem "sence of control" durch eine "Religion of fear"; ueber die Beduerfnisse einer sozial weit entwickelten Kultur nach einer generationsuebergreifenden moralischer Instanz und nach Trost durch einen "God of Providence"; bis hin zu einem modernen universellen Pantheismus der Spiritualitaet durch das Erfahren eines Kosmos zieht, der zugleich endlose Fragen aufwirft, uns aber gleichzeitig mit tiefem Verstaendnis und der Erkenntnis belohnt, dass wir ein Teil davon sind.
Und auch wenn der evolutionaere Ansatz dieser These spaetestens seit Levi-Strauss nicht mehr haltbar scheint, ist es verfuehrerisch dieser Kausalkette zu folgen.

Einen aehnlichen Ansatz verfolgt auch Carl Sagan, der sich ausgehend von allgemeinen Ueberlegungen zu wissenschaftlicher Methodik fast zu einem Glaubensbekenntnis des Agnostizismus steigert, das man folgendermassen beschreiben koennte:
"Question everything. If you respect something or consider it to be the trouth, then question it even more, because if you again, you find it true and beautiful, then it will only grow by you, questioning it, and you will grow by questioning it too. Else, give birth to a new idea and question that one again.
Learn everything you could, meet different people with different opinions and points of view, go to different placec, then learn even more, and start questioning all over again."
Sagan schliesst mit dem Gedanken:
"Science is not only compatible with spirituality, it is a profound source of spirituality. When we recognize our place in an immensity of light years and in the passage of ages, when we grasp the intricacy, beauty and subtlety of life, then that soaring feeling, that sense of elation and humility combined is surely spiritual. So are our emotions in the precense of great art or music or litrature, or of acts of exemplary selfless courage such as those of Mahatma Gandhi or Martin Luther King."

... so genug damit, ich muss wieder an die frische Luft.

Donnerstag, 12. März 2009

Kurzgeschichten

12.3.09, Kolkata, 17.00

Leia ist ein wenig uebermuetig geworden und nachdem die ersten paar Tage hoechstens ein leises Rascheln, ein Huschen und manchmal ein Schatten hinter der Lampe von ihrer Existenz gekuendigt hat sitzt sie nun auf meinem Schreibtisch. Ihr Bruder haengt noch ein wenig misstrauisch an der Wand ueber der Tuer, dunkelgruen auf strahlendem Rosa.
Ich habe zwei Mitbewohner, die sich wohl so langsam an den ungewoehnlichen Menschen gewoehnen und als ich mich wieder meinem Projekt zuwende, sind vier Geckoaugen aufmerksam auf mich gerichtet ... es ist Zeit fuer einige unsortierte Geschichten aus der Stadt in die es mich versclagen hat.
"Oh Calcutta, in this hall of thine, may I have a corner seat..."

Mein Tag hat schon früh begonnen. Von akuter Schlaflosigkeit gepackt spaziere ich schon um 6.00 morgens durch den Frühnebel-verhangenen, noch taufrischen "Rabindra Sarobar", einen kleiner Park um einen See im Süden Kolkatas.
Zuerst ist es nur ein weiteres Flüstern in der erwachenden Stadt, kaum bemerkenswert, dann aber, je näher ich dem Ufer komme, wird es lauter, selbstsicherer, gegenwärtiger. Ein Kichern, bauchiges Lachen, klangvolles Schmunzeln.
Am Ufer des Sees, unter den alten, gekrümmten Bäumen stehen überall Menschen, einige alleine, viele in kleinen Gruppen und strecken und dehnen sich und ... Lachen aus tiefster Kehle. Ich stehe ein bischen abseits und mustere neugierig dieses uralte Ritual, diesen neumodischen Trend oder doch eher ein waghalsiger Exorzismus des kriselnden Zeitgeists?
Irgendwann winkt mich einer der Lachenden heran und macht eine Geste, dass ich mitlachen soll und ich, erst ein wenig schüchtern mit meinem befangenen Zivilisationslächeln, brauche ein paar Versuche, aber irgendwann lache ich aus vollem Hals mit; ein tiefes, dunkles, befreites Lachen, das sein 100 faches Echo in einem gewöhnlichen indischen Morgen findet. Wer auch immer gesagt hat "you can´t just bottle some laughter for the rest of your days" (war es Donovan?), hatte eindeutig unrecht. (Qed)

Es ist später Nachmittag, gestern bin ich hier angekommen und heute streune ich zum ersten mal durch die breiten, überfüllten Straßen Kolkatas.
Die Stadt ist widersprüchlicher als alle Städte die ich bis jetzt erlebt habe, die Gerüche noch intensiver, es ist lauter und hecktischer und zur gleichen Zeit in sich ruhend und still. Die Menschen sind freundlich und stolz und vor den alten, verfallenden Kolonialbauten reiht sich ein Marktstand an den nächsten.
Die einzige Schwierigkeit besteht darin sich nicht zu verlaufen, die Stadtverwaltung ändert nämlich mit boshafter Regelmäßigkeit die Straßennamen, sodaß weder Stadtpläne, noch Straßenschilder, noch Adressen mit der Aktualisierung vorankommen. So gibt es z.B. drei verschiedene "Mahatma Gandhi Roads" dicht beieinander, die alle noch drei Alternativnamen haben, welche natürlich alle noch in Gebrauch sind. Die "Park Street" heißt im Moment offiziell "Mother Theresa Sarani", leider hält sich niemand daran und das amerikanische Konsulat liegt seit kurzem in der "Ho Chi Min Sarani".
Mitten in dieser ersten Orientierungslosigkeit esse ich die besten Momos von Kalkutta an einem der vielen Straßenstände, die leider alle nicht zu unterscheiden sind. Ich werde die nächsten Tage Stunden damit verbringen diesen Stand wiederzufinden, esse jeden Tag mindestens einmal Momos, die sicherlich gut aber nicht sooo gut sind, doch er bleibt nur eine Erinnerung.

Ich habe die Linien Rickschas entdeckt. Das sind Rickschas die eine bestimmte Strecke auf und abfahren und auf die man, mit etwas Übung, einfach aufspringen kann. Eine Strecke kostet 4Rs, also fast nichts und ich brauche 2 Strecken vom Krankenhaustor bis ins Stadtzentrum, das plötzlich ganz nahe ist...
Und ja, 8 Personen passen ohne Probleme in eine Rickscha, erst ab 10 wird's ungemütlich.

Ich spaziere durch den Maidan, den Centralpark Kolkatas. 1758, um dem neugebauten "Fort William" eine freie Schusslinie zu sichern, wurde ein 3km langer Streifen im Zentrum der Stadt von den englischen Kolonialmächten, dem Erdboden gleich gemacht und zum Park umfunktioniert.
Heute ist "the Maidan" die grüne Lunge der Stadt und gleichzeitig Rückzugsort für alle die dem alltäglichen Chaos für ein paar ruhige Momente entfliehen wollen.
Um für Ordnung zu sorgen, hat die Stadtverwaltung große Parzellen zur Patenschaft ausgeschrieben und große Firmen kümmern sich nun um die Erhaltung einzelner Bereiche des Parks. Daß dabei ein Wettkampf zwischen den einzelnen Firmen um den schönsten Parkabschnitt ausgebrochen ist, führt zu teils schönen, teils kuriosen Gartenanlagen. So gibt es im "Tata Steel Park" akkurat geschnittenen Rasen, mit Mamor ausgelegte Gehwege und den quasi-orginalgetreuen Nachbau des Trevibrunnens, der Nachbarpark punktet mit einer ganzen Schule "Maidan Delfinen" aus Plastik, die aus dem Rasen auftauchen und zu klssischer Musik ihre Kreise ziehen, wieder einen Park weiter gibt es romantische Wasserspiele, die abends in allen Farben zwischen Pink und Neon erstrahlen.

Es ist früher Abend und auf der kleinen Terasse meines Bereitschaftszimmers höre ich Musik auf dem I-Pod. Neben mir das vertraute Rauschen und Piepsen der Station und Jens Lekman singt: "If a psycologists psycologist ever needs a psycologist, who would want to be a psycologists psycologists psycologist"
...großartig.

Ich habe einen kurzen Anflug von Heimweh, den ich im Pizza Hut kurriere. Verglichen mit den ca. 12Rs die mich normalerweise ein Essen auf der Straße in Kolkata kostet (z.B. Momos) sind die 300Rs (ca 5€) für ein Pizza Hut Menue mit Pizza, Softdrink und Dessert der reinste Luxus. Dementsprechend sieht das Restaurant auch aus, Holzvertäfelung, eine Klimaanlage auf Anschlag, für jeden Gast ein Kellner der einem zu Platz geleitet und den Stuhl zurechtrückt, Porzellangeschirr und weiße Stoffservieten und darauf eine ordinäre Pizza Hut Pizza.
Am Tisch neben mir feiert ein junges Mädchen Kindergeburtstag, sie hat eine kleine Krone auf, vor ihr stapeln sich die Geschenke und am Tisch sitzen neben ihren Eltern noch 10 wild durcheinander quatschende Freundinnen. Als ich das Restaurant verlasse sortiert ein Mädchen im gleichen Alter, das Gesicht mit Schweiss und Dreck verkrustet den Müll auf der Straße.

Ich besuche die University of Kolkata, das Medical College und die College Street. College Street ist berühmt für die vielen Bookshops, die die Straße auf mehreren Kilometern säumen.
Dabei handelt es sich aber nicht um Geschäfte im eigentlichen Sinn, mit Regalen und erkennbarer Ordnung, vielmehr gibt es hier im besten Fall Marktstände, ansonsten werden die Bücher, Deckel an Deckel, auf der Straße gestapelt; davor im Schneidersitz der Buchverkäufer, der verspricht einem jedes Buch, das man will innerhalb von 10min besorgen zu können. Ich erkenne in einem Stapel die neuste Ausgabe des "Harrison - Internal Medicine", direckt darüber ein dickes Buch über Quantenmechanik und darüber Bücher zu angwewandter Systemtheorie bis Politik und Bankenwesen. Eine beeindruckende Sammlung an Wissen der ganzen Welt, auf Englisch, Arabisch, Hindi, das hier wie Gemüse auf der Straße verkauft wird und genauso hungrig macht, steigt einem der Duft so konzentriert in die Nase.

Ich stehe im OP und habe zwei wichtige Erkenntnisse:
1. Eine TAR geht wunderbar auch ohne Stapler
2. Die Tatsache, daß ich ca. 20 neue Moskitostiche habe und mich nicht kratzen darf weil ich steril bin, stellt meine Selbstbeherrschung auf eine harte Probe... 5 lange Stunden.

Ich bin mit Dr. Agrawalla und seiner Familie zum Auftakt des Holi Fests zu einer alten Hindu Zeremonie eingeladen. Der Legende nach wurde vor Urzeiten einem Dämon prophezeit, daß eine einfache Frau ein Kind zur Welt bringen wird, das ihn, als erwachsener Mann, vernichten wird.
Also machte sich der Dämon auf die Suche nach der Frau, gewinnt ihr Vertrauen und raubt schließlich das neugeborene Kind. Als er es jedoch auf einem Scheiterhaufen verbrennen will, schreiten die Götter ein und retten das Kind aus den lodernden Flammen und bringen es ins Dorf zu seiner Mutter zurück, worauf diese aus Freude das erste Holi feiert.
Dies wird nun kurz vor Mitternacht auf einem sternenbewachten Feld nachgespielt. Auf dem Scheiterhaufen liegt eine Tonpuppe und ein Priester mit Dämonenmaske entzündet das Feuer. In diesem Moment müssen mutige Zuschauer auf den Scheiterhaufen klettern und das "Kind" retten, eine gefährliche Mutprobe. Doch heute explodiert das Feuer geradezu, das trockene Holz geht in einem Funkensturm auf bevor auch nur ein Versuch möglich ist das "Kind" zu retten und es verbrennt innerhalb von Sekunden. Erst als die Flammen keine Nahrung mehr finden holt der Priester die rußschwarze Tonpuppe mit einem langen Stock aus der Asche. "This happens, some years the demon wins"
Das eigentliche Holi am nächsten Tag ist wesentlich farbenfroher. Bewaffnet mit Farbe zieht man von Haus zu Haus und malt jeden an, der einem begegnet. Diese Geste soll jedem die Gelegenheit geben sich für alle Gemeinheiten des letzten Jahres rächen zu können, gleichzeitig aber Vergebung anzubieten
Und während ich mich langsam pink einfärbe, lachend, nichts ahnend, erschießt zuhause im fernen Deutschland ein 17 jähriger Junge 19 Menschen.

Ich stromere durch die Gassen im Süden, es ist schon fast Mitternacht und schon lange dunkel, doch das Leben pulsiert hier immer noch, jetzt da es angenehm kühl ist, vor den Häusern. Frauen stehen in kleinen Grüppchen zusammen und lachen leise in die Nacht, Kinder spielen Fußball mit einer alten Wasserflasche oder fangen oder Verstecken, die geduckte Gestalt eines kleinen Jungen schält sich aus der Dunkelheit hinter einem Kleinen Shiva Schrein. Ein paar Männer spielen ein Brettspiel, das nach Dame aussieht aber anders gespielt wird, mit im Schwung geworfenen Spielsteinen, und rauchen. Die Luft ist schwer und würzig, die Straßen oft nur erhellt von den Kerzen der Händler, die am Straßenrand ihre Ware anbieten, manchmal das Flackern einer Öllampe hinter einem Fenster, sonst nur das fahle Mondlicht. Ich kaufe mir eine Kathiroll, eine Art gefüllter Pfannkuchen auf dem ein Ei aufgeschlagen und angebraten wird und danach einen Chai und eine einzelne Zigarette. Als Anzünder dient ein in Öl getränktes Seil, das an einem Ast hängt und langsam vor sich hinschmort. Der Verkäufer betrachtet mich, halbblind und mit zugekniffenen Augen interessiert über den Rand seiner riesigen Brille. Einer der Bügel ist abgebrochen, dafür hält jetzt ein Gummiband die Brille auf seinem Kopf, sein Hemd war sicherlich irgendwann einmal weiß und seine Finger sind spindeldürr und krumm. Als ich mich freundlich verabschiede, lächelt er mich mit seinen verbliebenen drei Zähnen an und winkt mir hinterher.
Ein paar Gassen weiter hält mich ein Junge auf, ich kenne ihn, er hat in meinem Hostel gearbeitet und auch er erkennt mich wieder. Er hat gerade "Icecream, Icecream" gekauft und ist auf dem Weg nach Hause. "This is my home. Meet my father, meet my mother, meet my brother"
Die ganze Familie steht lächelnd vor der einfachen Hütte, die ,mit dem einem kleinen Raum, dem Kohleofen und den fünf Betten, doch so sehr nach glücklichem Zuhause aussieht.
Ich werde prompt zum "Icecream, Icecream" essen eingeladen, doch ich mache eine Geste daß mein Bauch voll ist, bedanke mich mehrmals und lehne ab. Ich weiß, daß die "Icecream, Icecream" wahrscheinlich mehr gekostet hat, als die Familie am Tag verdient. Diese Großzügigkeit gegenüber einem Fremden ist hier nicht ungewöhnlich, trotzdem bin ich jedesmal wieder tief berührt.

Ich habe den wahrscheinlich einzigen Irish Pub in Indien gefunden. Zum Bier gibt es mit Zimt und Kardamon gewürztes Knabberzeug und die Band spielt gerade ein holpriges "nothing else matters". Der Bassist trägt einen Turban.

...to be continued

Montag, 2. März 2009

... LANGEWEILE

Noch eine Stunde, dann kann ich den letzten Programmpunkt fuer heute abhaken...Abendessen.
Heute war mein erster Arbeitstag im Cancer Center, aber seit Dienstschluss um 16.00 zieht sich die Zeit hier wie Kaugummie. Ich habe alles was ich zum Lesen gefunden oder bei mir habe gelesen...zweimal, Fernsehen gibt es nicht und die Stadt ist gerade so weit weg, dass ich sie nicht einfach so erreichen kann.
Alle Aerzte mit denen ich den Tag ueber zu tun hatte sind zu hause bei ihren Familien, hier geblieben sind nur noch die Patienten, einige Schwestern, der Hausmeister und das Securityteam...und keiner spricht Englisch, nur einige Hindi, dafuer alle fliessend Bengali...ausser mir.
Gerade hatte ich Besuch vom Koch der Kantine und dem Kuechenjungen, mit denen ich mich gestern ein wenig angefreundet habe. Das Ritual ist das gleiche wie gestern, schuechternes Klopfen, drei oder vier Brocken Englisch, 'Hello, sir'...'picture, Tiger?'...sie schauen sich die Bilder von dem Tieger in Rantanbore an, vom Taj Mahal, einige alte Photos von Heidelberg und Paris die noch auf meinem Photo gespeichert sind, wir hoeren 'America Music' und dann versuchen sie mir Bengali beizubringen. Sie deuten auf meine Nasen...'Nack', die Augen...'Tschock', die Ohren...'Kahn'...u.s.w.
Im Austausch lernen sie Nose, Eyes, Ears...u.s.w.
Ich habe auch einen handgeschriebenen Zettel mit dem bengalischen Alphabet bekommen, das sich nicht damit begnuegt z.B. fuer die Silbe 'do' je nach Aussprache 8 verschiedene Buchstaben vorzuschreiben, nein, kombiniert man 2 Silben werden nicht beide Buchstaben einfach nur hintereinander geschrieben, sondern je nachdem ob Konsonant auf Vokal oder Konsonant auf Konsonant oder Vokal auf Konsonant oder Vokal auf Vokal folgt, verschmelzen beide Zeichen in einer bestimmten Weise, die meistens nichts mehr mit den Ausgangsbuchstaben gemeinsam hat. Ich brauche zur Zeit Minuten um ein einzelnes Wort Bengali zu lesen, an Schreiben ist nicht zu denken.

...noch 40min

Fuer alle HNO Insider noch ein paar blutige Einblicke in den begalischen OP. Ich war heute bei einer Mikro. Flex. Panendo zum Staging eines monstoesen Zungengrundkarzinoms dabei, dass fast den ganzen Oropharynx verlegt hat. Abgesehen, dass die Panendo durch die Nase durchgefuehrt wurde gab es weder was Know How noch Equipment angeht kaum Unterschiede zu Deutschland.
Im Op geht es ein wenig gemuetlicher zu und es ist fast immer Zeit fuer einen Tee und ein Plaeuschchen. Die Chirurgen machen die selben Anaesthesistenwitze und die Anaesthesisten die selben Chirurgenwitze, sodass ich mich schnell wie zuhause gefuehlt habe.
Die einzige andere OP in meinem Saal war eine ZungenspitzenCa Resektion, mit einseitiger Neck und Extraktion aller verbliebener, karioeser Zaehne im Unterkiefer und abgesehen vom Zugangsweg, einer Art halbseitigem, erweitertem Kocher-Kragenschnitt, gab es kaum Unterschiede zum Vorgehen das ich gewohnt bin. Danach war Feierabend.

Ernuechternd ist alerdings die postoperative Perspektive. Es wird naemlich zwischen einer optimalen Nachbehandlung mit R/C Therapie und regelmaessiger Vorstellung und einer realistischen Nachbehandlung unterschieden. Auch wenn die Klinik hier als 'non-Profit' Organisation fortschrittliche Medizin zu minimalen Preisen anbietet, wird sich kaum einer der Patienten die teuren Medikamente leisten koennen, die bei uns selbstverstaendlich sind. Also wird gleich ein alternativer Therapieplan entwickelt, der sich auf zum Teil uralte Chemotherapeutika stuetzt, wissend, dass man so wesentlich mehr Nebenwirkungen und wesentlich weniger Therapieerfolge in Kauf nehmen muss.
Und ich muss mich fragen, bei allem was unser eigenes Gesundheitssystem zur Zeit mehr schlecht als recht am Laufen haelt, ist das wirklich die dunkle Vergangenheit?

Donnerstag, 26. Februar 2009

in der Kuerze liegt die Wuerze

... hier mal wieder ein kleiner Apetizer auf die Geschichten, die ich noch nicht geschrieben aber mit Sicherheit erlebt habe.

1. wilder Tieger mitten auf der Strasse gesehen ... und Beweisfoto gemacht.
2. vor dem Taj Mahal ueber Schoenheit und Aestetik gegruebelt
3. in Delhi again, Mahatma Gandhi's Grab besucht (u.a.)
4. eine Nacht am Flughafen verbracht, mir den Magen verdorben und einem japanischen Geschaeftsmann auf den Anzug gekotzt ... fast.
5. In Kolkata angekommen, im Fruehnebel mit 100 Indern ausgiebig gelacht, Tagore gelesen und die Europaeische Postmoderne dekonstruiert.
6. Die besten Momos der Welt an einem Strassenstand gegessen, den ich am naechsten Tag Stunden lang gesucht, aber nicht mehr habe finden koennen.

...vielleicht schaff ich es morgen...

Mittwoch, 25. Februar 2009

25.2.09, Delhi Flughafen, 3:00

Ich rolle mich so gut es geht auf einem Stuhl zusammen, der nicht fuer meine Groesse gedacht ist, die Fuesse auf meinem Rucksack, der Kopf im Versuch zu schlafen nach vorne gefallen. Neben mir verdaut eine amerikanische Reisegruppe ihren Jetlag, ein mittelaltes Ehepaar aus Las Vegas auf dem Weg zu einer Kreuzfahrt, er mit schlecht sitzendem Toupe, sie in einer bunt gemusterten Bluse von der Groesse meines Schlafsacks. Eine muetterliche Krankenschwester aus Texas und Bob aus Jamaika, der ihr gerade eroeffnet dass die Regierung alle ihre Emails mitliesst.

Mein Plan war die Nacht im Schlafsaal des Flughafens zu verbringen um morgen frueh um 7 problemlos meinen Flieger nach Kolkata zu erwischen...Fehler Nr. 1.
Der Schlafsaal ist zwar offen und mein reserviertes Bett frei, um dorthin zu gelangen muss ich allerdings durch den ersten Sicherheitscheck und der macht erst wieder um 3:00 auf. Also jetzt oder in indischer Zeit irgendwann. Um 4:17 werde ich schliesslich durchsucht, muss meinen Ausweis, Visum und Ticket vorzeigen...doch mein Bett bleibt mir vorenthalten...'No, sir, no bag allowed here, first check in'...und fruehster Check In fuer meinen Flug ist 5:00 oder in indischer Zeit irgendwann wenn der Schalter besetzt ist.
Um 6:00 ist das noch nicht geschehen, dafuer aber mein Flug auf 9:20 verschoben worden...der Schalter bleibt bis 7:30 geschlossen. Jetzt brauch ich auch kein Bett mehr.

Kommen wir zu Fehler Nr. 2, der kleine Mitternachtssnack am Flughafen. Ab ca. 5:00 fuehle ich mich zunehmend furchtbar, der Magen mindestens 3x um die eigene Achse rotiert und ab ca. 6:00 weiss ich dass es damit heute kein appetitliches Ende mehr nehmen wird.
Um 7:31 stehe ich in der kuerzesten Schlange vorm Check In Schalter und konzentriere mich nur auf meine Atmung, einatmen, ausatmen, bloss nicht pressen oder an Essen denken.
Vor mir steht lediglich ein aelterer, indischer Herr und eine Gruppe chinesischer Jugendlicher...und die freundliche Dame am Schalter laesst gerade einen Uebersetzer kommen, da es keine gemeinsame sprachliche Basis zu geben scheint, dafuer aber einige schwerwiegende, administrative Probleme.
Ich habe so langsam Schweisstropfen auf der Stirn.

Nach einigen endlosen Momenten, ruecke ich einen Platz in der Schlange nach vorne, der aeltere Herr vor mir zeigt sein Ticket und gibt sein Gepaeck auf. Ich atme auf und greife nach meinem Rucksack. Nur noch ein paar kurze Wortwechsel von denen ich nichts verstehe, dann waere ich an der Reihe, doch die Lautstaerke des Wortwechsels hat eine beunruhigende Lautstaerke angenommen. Der aeltere Herr schlaegt mit der flachen Hand auf den Tresen und irgendwann stehen 3 Flughafenangestelte um ihn herum und versuchen ihn zu beruhigen...von mir nimmt keiner Notiz, auch nicht davon das ich so langsam komplett durchgeschwitzt bin und von einem Fuss auf den anderen wippe. Einatmen, ausatmen, bloss nicht an Essen denken.
Als ich endlich an der Reihe bin presse ich ein 'please, hurry' zwischen den Zaehnen hindurch, gebe hastig mein Gepaeck ab und eile zur Toilette.

Als ich die Tuer zur Toilette oeffne stehen im Vorraum vor den 3 Urinalen etwa 9 japanische Geschaeftsleute, alle im gleichen dunklen Anzug, die Aktentasche unter den Arm geklemmt und in hoefliche Gespraeche vertieft.
2 Toilettenkabinen sind verschlossen und 'out of order' vor den anderen 2 hat sich eine lange Schlange gebildet. Ich muss fast weinen als ich mich in ebenjene Schlange einreihe. Nach endlosen Minuten hilft alle antrainierte Contenance, das Einatmen und das Ausatmen und die beruhigenden Gedanken nichts mehr. Die japanische Delegation hat inzwischen die Waschbecken eingenommen und ich draenge mich zwischen Anzuegen, Acktentaschen und verdutzten Gesichtern hindurch zu einem der Waschbecken. Den letzten Japaner schiebe ich unsanft zur Seite und dann uebergebe ich mich minutenlang in eines der Waschbecken...im Raum ist es totenstill. Ich schaue in den Spiegel ueber mir und erschrecke, ich sehe aus wie ein Junkie auf Entzug...aber es geht mir sofort besser.
Ich verlasse die Toilette mit gesenktem Kopf, entschuldige mich tausendmal.
Draussen schlaegt mir einer der Japanar auf die Schulter, die Aktentasche immer noch unter den Arm geklemmt, laechelt mich mitleidig an und fragt 'feeling better now?' Ich laechle auch, doch bevor ich mich ein weiteres mal entschuldigen kann hat er sich schon umgedreht und auf den Weg zum Gate gemacht.

Sonntag, 15. Februar 2009

Jaipur

Wir sind in Jaipur, "die Stadt des Sieges ist chaotisch und verstopft, hat aber immer noch die Angewohnheit Reisende zu verwoehnen. Beeindruckende Bergfestungen und herrliche Palaeste zeugen von einer reichen Vergangenheit. Turbane wie aus Zuckerwatte gedreht ziehen einen leuchtenden Pfad durch die geschaeftigen Bazare und strahlende Saris flattern im Wind. Und aehnlich wie ihr Gruender Jai Singh II. ist auch die "Rosa Stadt" stolz und unverwuestlich."
Das sagt mein Reisefuehrer und ich habe nichts hinzuzufuegen.



Mittwoch, 11. Februar 2009

Delhi

Es ist kalt, rau, es hat lange geregne und es ist stockdunkel. Der Taxifahrer, der versprochen hat uns vom Flughafen zu unserem Hotel zu bringen, biegt gerade von der Hauptstrasse in eine dunkle, unbefestigte Seitenstrasse ein und wir versinken augenblicklich im Matsch.
Man kann wenig erkennen, ein paar verrammelte Laeden, in einer Ecke ein paar geduckte Gestalten um ein klaegliches Feuer, rechts von uns durchwuehlt eine Huendin mit ihren zwei Jungen einen Muellberg, in der Ferne ein wenig Licht.
"You want Spice Otel?" ... unser Hotel heisst Smile Inn, aber das ist fuer unseren Fahrer unmoeglich auszusprechen. Wir haben uns verfahren und ernten nur ratloses Schulterzucken, wenn wir wieder einmal nach Spice Otel fragen. "No, no, SMILE INN, S.M.I.L.E., Smile Inn!"
"Yes, yes, Spice Otel"
Wir sind mitten im Main Bazar in Paharganj, einem Viertel von Delhi, das laut Reisefuehrer "einen zweifelhaften Ruf geniesst und vorallem fuer seine Drogenszene und die vielen zwielichtigen Gestalten bekannt ist."
Letztendlich finden wir unser Ziel in einer der vielen, namenlosen Seitenstrassen und wir muessen das letzte Stueck laufen, da das Taxi weder den engen Gassen noch dem Matsch gewachsen ist in dem wir uns immer wieder festfahren.
Der Mann an der Rezeption schlaeft auf einer Couch in der Ecke, schreckt aber auf als wir das Hotel betreten und fuehrt uns zu unserem Zimmer. Im Treppenhaus muessen wir ueber eine verdaechtige, gruenbraune Pfuetze steigen und es riecht nach Erbrochenem.
Trotzdem ist das Zimmer in Ordnung, es ist sauber, die Betten frisch bezogen und im Bad laeuft warmes Wasser, der einzige Wehrmutstropfen ist ein Loch im Fenster, durch das es empfindlich zieht und das wir mit einer Wolldecke stopfen. Wie haben schon schlimmere Absteigen ueberlebt. Ich verriegle sorgfaeltig die Tuer, stopfe meinen Geldbeutel und mein Taschenmesser unter mein Kopfkissen und kurz bevor ich einschlafe, muss ich darueber nachdenken warum ich jetzt hier und nicht in meinem warmen Bett in Mannheim schlafe.
Ich mag mein konfortables Zuhause, aber ich habe hier wie ein Baby in einem einfachen Feldbett geschlafen, in einer schmucklosen Kammer mit gestampften Lehmboden. Die warme Dusche am Morgen ist fantastisch, aber kaltes Wasser auf dem Hof reicht manchmal vollkommen aus um sich wie ein neuer Mensch zu fuehlen. Wir hatten Toiletten, die nichts mehr als ein Loch im Boden hinter einer huefthohen Mauer waren und das ist Ok. Wir haben in einer dreckigen Stadt, in einem fenstelosem Zimmer mit gelbfleckiger Bettwaesche geschlafen, Kakerlaken im Bad, im Zimmer, einmal sogar auf dem Teller, dort allerdings bereits verstorben. Wir haben uns mit Massen von fremden Menschen in Busse, Zuege, Strassen und Gassen gequetscht und sind ueberall gut angekommen. Ich habe aufgehoert zur Seite zu springen wenn mitten in der Stadt eine Horde Kuehe/Ziegen/Hunde/Affen an mir vorueberstuermt, denn ich weiss sie haben ihre eigenen Ziele und ich bin nichts weiter als einer dieser vielen Zweibeiner im Weg, nichts Besonderes.
Es ist als ob Indien, dieser Kontinent fuer mich fremder, fremdhaft-vertrauter Welten und absolut unverstaendlicher Welten mich zwingt meine althergebrachten Massstaebe zu destillieren. Vieles was mir wichtig ist, auf das ich stolz bin oder mir etwas einbilde, all diese vertrauten Kulturen, Kultiviertheiten, die Spielchen und komlexen Spielregeln all diese Ueberlegenheiteleien muessen hier neu bewertet werden.
Kaum jemand hier hat die Buecher gelesen die ich gelesen habe, die Erfahrungen gemacht die ich gemacht habe oder die Schluesse gezogen die ich gezogen habe. Meine Plattensammlung, dieses tolle Zitat von Tolstoi oder die 64 Espressotassen und Perserteppiche im Haus meiner Eltern, in der Welt des Samosa-Verkaeufers an der Ecke spielt das alles nicht die geringste Rolle und ich bin sicher, trotz allem was ich weiss oder kann, in seiner Welt in seinem Leben waere ich aufgeschmissen. Was davon ist wirklich wichtig, was ist reine Kuer und was nur Ablenkung?
Im besten Fall macht Indien bescheiden und demuetig. Ich muss an ein Zitat von Cees Nooteboom denken, "ich hatte 1000 Leben und nahm doch nur eins."
Es gibt keinen einzigen Grund zur Ueberheblichkeit, fuer niemanden. All die Welten die wir uns im Laufe unseres einen Lebens erschlossen oder erschaffen haben, heimisch oder heilig gemacht, die uns Zuhause oder nur zeitweise eine Zuflucht sind, so gross ihre Zahl oder so komplex ihre Architektur auch ist, sie koennen doch nie die 1000 Leben aufwiegen, die uns verborgen bleiben, die 10000 Welten die uns nicht Zuhause sind, in denen wir uns schwerfaellig und tollpatschig bewegen, von denen wir rein gar nichts wissen und in denen wir keine Rolle spielen.
Wir sind nur so wenig, nur ein kurzer Blick, ein Aufflackern und so vieles bleibt im Dunkeln.
Wirklich kein Grund zur Ueberheblichkeit.

Dienstag, 10. Februar 2009

Ajanta und Ellora

Da es mir unglaublich schwer faellt Worte fuer die Hoehlentempel von Ajanta und Ellora zu finden hier nur Bilder.



Montag, 9. Februar 2009

Aurangabat

Wir haben Aurangabat zum Ausgangspunkt fuer unsere Tour nach Ajanta und Ellora gemacht, zu der wir morgen und uebermorgen aufbrechen. Doch auch wenn Aurangabat selbst keine Touristenstroeme anzieht, haben wir es geschafft ein straffe Sightseeingprogramm fuer den heutigen Tag zusammenzustellen. In kurzer Abfolge besichtigen wir die oertlichen Hoehlentempel, die zwar schon ziemlich beeindrucken, aber doch nur einen ersten Eindruck davon geben koennen was uns morgen erwartet. Mitten in die Felsen vor der Stadt, in einer oeden, trockenen Lanschaft haben buddhistische Moenche im 6Jh. nach Chr. Tempel in den Fels geschlagen.



Naechstes Ziel ist das Bibi-Qa-Maqbara, ein pompoeses Grabmahl im Stile des Taj Mahals. Lustige Geschichte; der Erbauer des orginalen Taj Mahals in Agra wurde fuer seine Verschwendungssucht vom eigenen Sohn enttrohnt und hingerichtet, dieser Sohn, Aurangazeb, ist der Erbauer des Bibi-Qu-Maqbara. Wie zum Fluch ziehrt das Taj Mahal heute noch unzaehlige Reisegeschichten doch den Nachfolger ziehren hoechstens dezente Verfallserscheinungen.




In einer oertlichen Weberei konnten wir die Arbeit bestaunen die in dieser Form schon seit Jahrhunderten die Geschichte der Stadt praegt. Auf orginalen, uralten Webstuehlen fabrizieren Frauen fuer 100 Rs Tagesverdienst die teueren Stoffe fuer die Saris der neuen Maharadschas.
Die Arbeit an einem Sari dauert hier bis zu einem Jahr und der Endpreis liegt bei bis zu 300000 Rs.

Samstag, 7. Februar 2009

Mumbai again

Ich habe wohl aufgehoert mich zu wundern, mein Blick wandert nicht mehr so ziellos umher, meine Fuesse finden automatisch einen sicheren Stand auf dem aufgebrochenen Asphalt und meisstens recht schnell eine Luecke im chaotischen Verkehr, meine Haut ist kuehl obwohl sie es nicht sein sollte und selbst der unnachgiebige, andauernde Strassenlaerm erscheint mir geradezu entspannend. Habe ich mich so schnell an Indien gewoehnt, meine Relationen verschoben?
Nach 6 Wochen und der Durchquerung des kompletten Kontinents von Ost nach West und wieder zurueck von Westen nach Osten, sind wir heute wieder in Mumbay angekommen um Judith's Eltern zu treffen. Doch das Mumbay, das chaotische, laute, ueberfordernde Mumbay das wir bei unserer Ankunft erlebt haben ist nicht mehr das selbe. Mit staunenden Augen laufen wir durch eine Stadt die es uns vergleichsweise einfach macht uns direkt wohlzufuehlen.
Noch zwei Tage koennen wir es geniessen, dann geht es weiter nach Aurangabad, Ajanta und Ellora, diesmal zusammen mit Judith's Eltern und von dort aus, wieder zu zweit, in den Norden nach Delhi ... ich bin gespannt.

Freitag, 6. Februar 2009

Bhubaneswar

Wir sind heute in Bhubaneswar und da es absolut nichts Interessantes ueber diese Stadt zu schreiben gibt (ausser, dass hier ein Museum mit dem schoenen Namen "Museum fuer Astrophysik und Insekten" und ein trauriger Zoo existiert), hier einige meine reiseinduzierten Essensphantasien:

Ein noch warmes, franzoesisches Baguette, zwei oder drei verschiedene gute Weichkaese, ein kleines Schaelchen in Oel eingelegte Oliven mit einem Hauch Zitrone und Rosmarin, dazu ein sehr guter Spaetburgunder oder Portugiser.

Dampfende, pfaelzer Bratkartoffeln mit frisch angeruehrtem weissen Kaese, ein Schaelchen mit gewuerfelten Scharlotten und ein Schaelchen mit fein gehacktem Schnittlauch, dazu ein Schoppenglas eiskatlte Traubensaftschorle.

Einen stinknormalen Filterkaffee, schwarz und ohne Zucker!

Zwei Kugeln, Nuss-Erdbeere in der Waffel zum Mitnehmen und dann ein Spaziergang durch die Fussgaengerzone.

Eine grosse Schuessel Eisbergsalat, mit Tomaten, Paprika, Gurken und Mozarella, ein gutes dunkles Brot, etwas gesalzene Butter und gehacktes Schnittlauch, dazu einfach nur kaltes, klares Wasser ohne Kohlensaeure.

Pizza bestellen, Fuesse hochlegen, Fernseh anschalten, dazu Cola.

Ein Pils.

Mittwoch, 4. Februar 2009

Tagestouren

Wir haben Puri zum Ausgangspunkt fuer einige Tagestouren gemacht.
Hier nur einige Bilder vom Chilika See, dem Pilgerzentrum in Puri und dem Sonnentempel in Kornak, Text kommt sobald ich Zeit und Musse finde.

der Chilika See:



in den Gassen von Puri:




der Sonnentempel in Kornak:




Dienstag, 3. Februar 2009

hierfuer wurde der Farbfilm erfunden ...



... keine weiteren Argumente notwendig.

Samstag, 31. Januar 2009

in Puri

Wir sind in Puri. Indisches Strandbad. Der gigantische Jagannath Tempel. Wichtiges Pilgerzentrum Shiva glaeubiger Hindus. Ein ehemalige Sommerhaus eines verarmten Maharadshas.



Gleich hinter dem grossen, hoelzernen Tor, hinter der ersten kalkweissen Mauer beginnt der Garten. Hinter mir die gerade noch laute, immer rot-staubige, aufdringliche Strasse mit ihren Geruechen und Fluechen, vor mir ein mit kleinen, graublauen Steinen ausgelegter Weg durch den satten Rasen, Schatten unter alten Baeumen und, links von mir, unter dem Vordach einer kleinen Wekstadt zwei doesende Hunde.
Um ins Haus zu kommen muss ich das zweite Tor, die zweite kalkweisse Mauer passieren, einige Stufen auf die Veranda, die Schuhe abstreifen, barfus auf matten Mamor dem Arkadengang folgen, vorbei an der Kueche in mittaeglicher Ruhe, die alte, hoelzerne Treppe zum ersten Stock links neben mir und dann nur noch eine hohe, geschnitzte Tuer in die Halle.
Es gibt eine Bibliothek von Austen bis Turgenew und eine Terasse mit einem langen, schweren Holztisch an dem sich abends alle Gaeste des Hauses versammeln.
Unser Zimmer hat eine ca. 6 Meter hohe Decke an der sich gemaechlich ein Ventillator dreht. Vor den drei Fenstern schwingen gemaechlich lange, safrangelbe Vorhaenge in der Meeresbrise (man kann das Meer sehen, riechen und die salzige, feuchte Luft auf der Haut spueren), davor steht ein altersweiser, dukler Schreibtisch. Die Betten stehen mitten im Raum und sind frisch bezogen, es gibt ein grosses Badezimmer in dem ein Gecko wohnt und frische Handtuecher.
Nach 24 Stunden in Zuegen und Bussen, nach einer heiss ersehnten Dusche, falle ich auf mein Bett und verbringe die letzten wachen Momente damit die Umdrehungen des Ventillators zu zaehlen.

Abends kommt hier soetwas wie Kolonialgefuehle auf. Zu den Gaesten die mit uns hier wohnen gehoert eine 40 jaehrige Schweizerin, die seit 2 Jahren mit ihrem Motorad die Welt bereist.
Sie vergleicht gerade ihre Route mit der eines schon ergrauten deutschen Weltenbummlers; Iran, Afganistan, Parkistan, dann ueber die Grenze bei Attari Einreise nach Indien, von dort geplant weiter nach Thailand, Kamodsha, mit dem Schiff nach Japan, dann nach China, Russland und schliesslich ueber den sibirischen Fruehling zurueck nach Europa.
Etwas weiter sitzt ein britisher Ingenieur, der gerade aus Afganistan kommt wo er fuer seine Firma eine Baustelle besichtigt hat, im Gespraech mit einer jungen australischen Theaterschauspielerin, die hier Urlaub macht. Eine junge Englaenderin und ihr kanadischer Freund sind gerade angekommen. Sie arbeiten in einem nahegelegenen Ort fuer eine Hilfsorganisation und betreuen dort Heimkinder.
Es gibt einen australischen Jogalehrer, der sich hier von seiner Zeit in einem indischen Ashram erhohlt, einen dauerkiffenden Schotten und eine 70 jaehrige Norwegerin ... und uns.

Beim Fruehstueck setzt sich die betagte Dame aud Norwegen neben mich. Sie hat sich ihren eigenen Kaese aus der Heimat, Butter und Brotaufstrich mitgebracht, weil "I, no like India food, so spice" Trotzdem wird sie gerade von einem Hustenanfall durchgeschuettelt und Brocken des norrwegischen Kaese verteilen sich auf dem Tisch. "Ahoh, bad here"
Als der indische Koch an uns vorueber geht stopt sie ihn, kramt kurz in ihrer Tasche und holt einen Bildband von Norwegen heraus den sie ihm herausfordernd unter die Nase haelt.
"Here, look, so nice and clean ... here not clean" das letzte mit einer Geste die den Tisch miteinschliesst auf dem immer noch die Kaesebrocken liegen.
Gegen Mittag verschwindet sie an den Strand, wovon ein monstroeser Sonnenbrand zeugt, und kommt mit Geschichten ueber die "funny Indians" zurueck, doch ihre groesste Sorge am Abend gilt den Moskitos. Ihre erste Frage wenn sie einen Raum betritt ist "Ohah, no Moskito here" oder die Feststellung "Ohah, Moskito here, they killing me" gefolgt von "Ohah, morrre Spray" woraufhin sie beginnt den Raum mit Chemikalien auszuraeuchern. "Ohah, they killing me, bad here"

Andererseits gibt es auch noch "Tiger Dave from Scottland", der neben seiner Vorliebe fuer berauschende Kraeuter und der Tatsache dass er schon seit einem Jahr hier im Hotel wohnt vorallem durch seine belesene, weltoffenen und ruhig vorgetragenen Ansichten auffaellt.
Er hat gerade aus dem Gedaechtnis fuer Judith einen detaillierten Stadtplan von Bankok gezeichnet und beginnt nun empfehlenswerte Hotels, Shops und Bars einzuzeichnen, inklusive Namen und Eigenarten des Besitzers.
Nach zirka einer halben Stunde sich auftuermender Fakten und Geschichten wende ich mich wieder dem Buch zu dass ich in der Bibliothek gefunden habe. Tolstoi passt vielleicht nicht nach Indien, aber hier neben mir koennte nun auch Graf aus "Zwei Hussaren" sitzen und ich wuerde mich nicht wundern.
Es gibt wohl keine Kolonialromantik, nicht fuer die Einheimischen in der Kueche und schon gar nicht fuer die wartenden Rikschafahrer vor dem Tor, fuer uns allerdings, die wir die Privilegien einer starken Waehrung geniessen, entfalten diese faulen Tage auf einer weiss getuenchten Terasse einen nebeligen Zauber, den man so nur in wehmuetigen Erinnerungen an eine vielleicht nie dagewesenen Vergangenheit erwartet haette.

im Nachtzug nach Bhubaneswar

Da ich mich nicht noch mehr ueber die Unzulaenglichkeiten des Reisens in Indien auslassen moechte, hier nur eine kleine Notiz.
Es haette werden koennen: langweilig, lange, unangenehm, unbequem ...
Dank einer fantastischen Reisebegleitung, zufaellig zusammengewuerfelt im gleichen Abteil, wurde es: interessant, lustig, unbequem aber kurzweilig, eine ganze Nacht voller fantastischer Gespraeche, fast schade auszusteigen und unsere neuen Bekanntschaften zuruekzulassen.

Donnerstag, 29. Januar 2009

Kontraste

... es dauert vielleicht eine Sekunde, das Laecheln ist schuechtern aber strahlend, die Augen noch geschlossen, ihr Kopf ist ihm noch zugewendet, ihre Haende zaertlich in seine Haende gelegt. Sie hat ihren Schleier zurueckgeschlagen und doch sieht man nur einen kleinen Ausschitt ihres Gesichts, das, umrahmt von tiefschwarzen Tuechern, umso ausdrucksstaerker wirkt.

Wir sind gerade im Park der Qutb-Shah Grabmaehler, nachdem wir in der Mittagshitze das Golconda Fort besichtigt haben. Hier vor den Toren der Stadt, in einem bluehenden Park haben sich die ehemaligen Herrscher Hyderabads weisse, mit gossen Kuppeln ueberdachte Palaeste fuer nichts als ihre sterblichen Ueberreste erbaut.




Doch das ist lange Zeit her. Heute scheint es, als habe sich die streng bewachte, muslimische Jugend diesen Ort, diesen friedliche Oase, ausgesucht, um wenigstens kurz und schuechtern den Traditionen ihrer Eltern zu entkommen. Unter den alten Baeumen, vorbei an steinernen Zeugen vergangener Ueberheblichkeit spazieren junge Paerchen, Hand in Hand, er in seiner besten Hose und schoensten Hemd, sie eingehuellt in eine schwarze Burka.
Und gerade, als ich um die Ecke eines der Grabmaehler trete, ueberrasche ich ein junges Paar bei ihrem ersten, schuechternen Kuss. Es dauert nur eine Sekunde und als sie mich sehen sind sie wieder nichts als verschleierte, verschaemte Tradition. Ich beschleunige meinen Schritt, ueberlasse sie wieder ihrer Zweisamkeit an diesem wunderschoenen Ort und wuensche ihnen alles Gute. Welch erhabene Ironie des Lebens ...

Mittwoch, 28. Januar 2009

Hyderabad

Wir sind gerade in Hyderabad angekommen. Hyderabad, die Stadt im Zentrum des Kontinents wo die Zukunft und die Vergangenheit Indiens oft nur eine Gasse, eine Strasse, ein Boulevard trennt.
Hier konkurriert die stahlende Moderne der IT Industrie mit dem geschaeftigen Treiben in den Gassen des alten, muslemischen Bazars, die Studios der Filmindustrie mit altehrwuerdigen Tempeln und Moschen und vor den glitzernden Shoppingmalls preisen Strassenhaendler ihre Ware an.


Jetzt sind wir allerdings nur muede, erschoepft und genervt. Es scheint als seien alle Hotels der Stadt ueberfuellt und zu allem Uebel hat sich ein aufdringlicher Touristenschlepper an unsere Fersen geheftet, der nicht muede wird uns die Vorzuege eines Guest Houses anzupreisen, zu dem er uns natuerlich auch fahren wuerde.
Auf der Fahrt nach Hyderabad haben wir eine chinesische Travellerin kennengelernt, die sich uns angeschlossen hat und kurz bevor wir entgueltig ueberzeugt sind auf der Strasse schlafen zu muessen, finden wir ein in einer Gasse verstecktes Hotel, dass uns ein grosses Zimmer anbieten kann in dem wir alle Platz finden.

Gegen Mittag haben wir uns vom stressigen Morgen erholt, sind frisch geduscht und bereit uns in das Gedraenge des muslimischen Viertels zu stuerzen. Um den Charminar, das Wahrzeichen Hyderabads, in einem Labyrint enger, schattiger Gassen, finden wir uns in einer anderen Welt wieder. Tausende kleine Laeden, viele schon seit Generationen im Besitz einer Familie bieten Schmuck, Perlen, Gewuerze, Stoffe, Parfuems, Handwerkswaren, Lebensmitteln, oder Musikinstrumente an. In winzigen Nischen koennen wir Kunsthandwerkern bei der Arbeit zusehen, entdecken den Arbeitsplatz von Barbieren, Schuh- und Ohrenputzern, Zahnaerzten, Masseuren, kleine Teestuben, Kartenleser und Wahrsager.
Eine Gruppe verschleierte Frauen feilscht mit einem Schmuckhaendler um den Preis eines Armreifs, zwei Rickschafahrer doesen im Schatten, Tuchhaendler versucht uns in seinen Laden zu lotsen ...



Wir sind hier die einzigen westlichen Auslaender und eine Attraktion fuer die Einheimischen.
Alle paar Meter schuettelt uns jemand die Hand, fragt ob wir mit ihm auf einem Foto posieren, Kinder drehen sich nach ums um und winken uns schuechtern zu.
Es ist seltsam, obwohl wir uns hier so deutlich fremd fuehlen muessten, herrscht eine Atmosphaere freundlicher Neugier; ich fuehle mich willkommen.


Im Nampuli Park kommen wir mit Mahender und Madhuri ins Gespraech, als sie uns um das obligatorische Foto bitten. Beide sind IT Studenten hier in Hyderabad und nachdem die erste Schuechternheit verflogen ist ueberschuetten sie uns geradezu mit Freundlichkeit.
Sie wollen uns stolz ihre Stadt zeigen und fahren mit uns zum Birla Mandir Tempel, einem weissen Mamorpalast der sich auf einem Berg ueber der Stadt erhebt und von dessen Terasse man einen atemberaubenden Blick auf die Stadt hat, die sich unter der gerdade untergehenden Sonne bis zum Horizont erstreckt.