Sonntag, 15. März 2009

Jackson Brown vs. Rabindranath Tagore

... jetzt kommt mal ein kleiner "show off" Beitrag ... "hope you don't mind the pretender"...
Ich habe eine alte Bibliothek entdeckt, und was fuer eine, nichts mit Hanni und Nanni und den Gesammelten Werken Grishams und nachdem ich die letzten Wochen erschreckend wenig gelesen habe, verschlinge ich nun geradezu alles was mir in die Finger kommt. Mit einer Buergschaft von unserem Klinikdirektor habe ich sogar eine begrenzte Mitgliedschaft bekommen und jetzt stapeln sich die Buecher in meinem kleinen, rosa Zimmer. Ein 2000 Seiten Waelzer ueber die Entwicklung der Poesie in Indien von Urzeiten bis in die koloniale Vergangenheit, daneben Oppenheimers "War and the Nations", "Gitanjali" von Tagore sowie ein Buch ueber sein Verhaeltnis zu seinen europaeischen Kollegen, "The Mathematical Theory of Communication" von Shannon und Weaver, ein paar gebundene Essays von Einstein zu "Religion and Science" und von Carl Sagan ueber wissenschaftliche Methodik ...
Also jetzt, nach vielen Zeilen ueber raeumliches Reisen nun ein paar Zeilen, gebeugt ueber einen kleinen Tisch, oder ausgestreckt auf meinem Bett.

Aus dem dicksten Buch nur ein kurzes Gedicht aus Kashmir im 16. Jh.
"The soul as the Moon is new,
and everyday new again,
and I've seen the ocean
constantly creating"
Vielleicht ist es eine Frage des Kontext und Interpretation meinerseits, aber die einfache Klarheit der Wortwahl, der Bruch der Perspektive nach den ersten zwei Zeilen und die trotzdem komplette Abgeschlossenheit und Schluessigkeit des kurzen Verses zeigen eine aesthetische Virtuositaet wie man sie auch in japanischen Haikus oder den kurzen Gedichten der europaeischen Nachkriegsagonie wiederfindet.
Man erfuehlt praktisch eine, sicherlich nicht real existente, Verbindung zwischen diesem Gedicht, Matsuo Bashu ("Stillness, the cicada's cry, sinks into the rock") und dem spaeten Paul Celan ("Abgeschlagen bei den Himmelskaefern im Berg, den Tod den du mir schuldig bliebst, ich trag ihn aus")
Vielleicht fantasiere ich aber auch nur ... "frog jumps from the pond, the sound of water: Klerplonk"

Oppenheimers "War and the Nation" ist dafuer erschreckend real, obskurer Weise aber nicht weniger lyrisch. Oppenheimer, der bei der Detonation der ersten Atombombe, halb geblendet vom eigenen Erfolg, halb geschockt von den sich aufzeigenden Konsequenzen" die orginalen Sanskritverse des Bhagavad-Gita zitierte ("I am become Death, the destroyer of worls") zeigt sich hier (1962) fast verwundert dass die Menschheit nun schon 16 Jahre lang der eigenen nuklearen Vernichtung entgegenstrebt und trotzdem bis jetzt ueberlebt hat.
Am Ende eines Abschnitts der endlos um die Verantwortung der Wissenschaft kreist, erlaubt er sich einen fast naiven Traum von einer Welt "... which is varied and cherishes variety, wich is free and cheriches freedom and which is freely changing to adapt to the inevitable needs of change in the twentieth century and all centuries to come, but a world which, with all its variety, freedom and change, is without nation states armed for war and above all, a world without war."
Eines meiner Lieblingsbilder von Henrie-Cartier Bresson zeigt einen gealterten Oppenheimer, gebeugt hinter seinem Schreibtisch der ihn fast bedrohlich an die Wand zu druecken scheint, die Augen wach und traurig und in eine unfassbare Ferne gerichtet und die Stirn mit Sorgen durchzogen.

Aus "Gitanjali" werde ich sicherlich noch oft zitieren ......... da komme ich dann auch zu Jackson Brown.

Mit"The Mathematical Theory of Communication" von 1949 revolutionierte Claude Shannon das grundlegende, mathematische Verstaendnis informationsverarbeitender Systeme.
Ausgehend von den vorherrschenden Modellen, die "Information" als den Logarithmus der Nummer von moeglichen Entscheidungen ueber eine gewisse Zeit definieren, naehrte er sich, mit dem Verstaendnis von Informationssequenzen als "Markoff chain" der klassischen Boltzmann Formel zur Beschreibung der Entropie an.
Kurzgesagt sind die Einzelteile einer Informationssequenz, z.B. die Woerter eines Satzes, in gewissem Grade voneinander abhaengig. Es ist z.B. sehr wahrscheinlich dass auf die Sequenz "in the event" ein "that" folgt, nicht ein "elephant". So ist es moeglich in allen Systemen der Informationstransduktion relative Freiheiten und Redundanzen zu identifizieren, die von der Struktur und Moeglichkeiten des Systems und dessen Kontext abhaengen. Die Mathematik hat also bewiesen dass der Inhalt einer Information von der verwendeten Sprache und dem Kontext der Rezeption abhaengig ist ...
Dies veranlasste Shannon zu seinem Modell, dass nicht nur Information wertet, sondern die "Wertigkeit" einer Information, gemessen an dem Masse wie sie die Unsicherheit ueber den Zustand eines beliebigen Systems verringert, dem "surprise value".
So ist, in unserem Kontext, die Information "Es regnet in der Sahara" hoeherwertig als die Information "Es regnet in London", da letztere nur den wahrscheinlichsten Zustand eines Systems bestaetigt, das uns zudem noch relativ vertraut ist. (sorry London)
Ich bin kein Mathematiker und kann vielleicht mit den Namen von beruehmten Formeln um mich werfen, vielleicht ihre Prinzipien verstehen, aber sicher nicht damit rechnen. Ich habe mich die letzten Jahre aber intensiv mit Signaltransduktionsmechanismen auf zellulaerer Ebene beschaeftigt und ich finde es immer wieder faszinierend, wie verschiedene Disziplinen um ein einziges Problem kreisen und dann aus vollkommen verschiedenen Richtungen zu kongruenten Ergebnissen kommen.

Kommen wir zu Einstein. In den Essays zu "Religion and Science" vertritt Einstein die These einer "evolutionaeren Entwicklung von Religiositaet", ausgehend von den Beduerfnissen von primitiven Kulturen nach einem "sence of control" durch eine "Religion of fear"; ueber die Beduerfnisse einer sozial weit entwickelten Kultur nach einer generationsuebergreifenden moralischer Instanz und nach Trost durch einen "God of Providence"; bis hin zu einem modernen universellen Pantheismus der Spiritualitaet durch das Erfahren eines Kosmos zieht, der zugleich endlose Fragen aufwirft, uns aber gleichzeitig mit tiefem Verstaendnis und der Erkenntnis belohnt, dass wir ein Teil davon sind.
Und auch wenn der evolutionaere Ansatz dieser These spaetestens seit Levi-Strauss nicht mehr haltbar scheint, ist es verfuehrerisch dieser Kausalkette zu folgen.

Einen aehnlichen Ansatz verfolgt auch Carl Sagan, der sich ausgehend von allgemeinen Ueberlegungen zu wissenschaftlicher Methodik fast zu einem Glaubensbekenntnis des Agnostizismus steigert, das man folgendermassen beschreiben koennte:
"Question everything. If you respect something or consider it to be the trouth, then question it even more, because if you again, you find it true and beautiful, then it will only grow by you, questioning it, and you will grow by questioning it too. Else, give birth to a new idea and question that one again.
Learn everything you could, meet different people with different opinions and points of view, go to different placec, then learn even more, and start questioning all over again."
Sagan schliesst mit dem Gedanken:
"Science is not only compatible with spirituality, it is a profound source of spirituality. When we recognize our place in an immensity of light years and in the passage of ages, when we grasp the intricacy, beauty and subtlety of life, then that soaring feeling, that sense of elation and humility combined is surely spiritual. So are our emotions in the precense of great art or music or litrature, or of acts of exemplary selfless courage such as those of Mahatma Gandhi or Martin Luther King."

... so genug damit, ich muss wieder an die frische Luft.

1 Kommentar:

  1. Deiner `Wortgewalt`,a selection of spirits, a meeting of minds etwas entgegenzusetzen ist schwer, wennicht sogar unmöglich,dennoch: wenigstens sharing your ideas!!
    Du befindest Dich vielleicht im Garten der Götter, erlebst archaische Wildnis, lernst farbenprächtige Tradition kennen und bist in tiefer Besorgnis,und Du merkst, nicht Stein gewordene Wunderwerke für Glorie und Prestige,sondern vor allem "different opinions and points of view" fordern uns und zwingen zu Wachsamkeit und zu Respekt, sind der Welt Seele
    Ma

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