Samstag, 24. Januar 2009

Old Goa

Old Goa, das untergegangene Lisboa Indiens. Die von Pest, Inquisition und Plastikmuell heimgesuchte, ehemals suendige, goldene Stadt am Arabischen Meer. Eine Kopie des Petersdom zwischen Palmen. Weisse Kathedralen, die Glaeubige, Glaeubiger und Touristenbusse gleichermassen anziehen. Dazwischen staubige Wege durch den Dschungel und streunende Hunde. Bevor wir heute Abend nach Hampi weiterreisen verbringen wir hier den Tag und ich habe zwischen all der vergangenen Pracht nichts besseres zu tun, als ueber den indischen Alltag nachzudenken.



Gibt es in Indien die Berufsbezeichnung "Bus-Stuffer"? Es sollte sie geben, denn die Taetigkeit ist weit verbreitet. Zu den Aufgabenbereichen eines Bus-Stuffers gehoert es Reisenden die einen Bus besteigen freundlich die Tuer zu oeffnen und ihnen dann, sind sie ihm in die Falle gegangen, unter lautem Rufen und Gestikulieren einen Platz zuzuweisen. Dieser Platz ist vorzugsweise nicht vorhanden, sodass der Bus-Stuffer dafuer zu sorgen hat, dass sich alle Reisenden unter Ausnutzung jedes vorhandenen Quadratzentimeters neben, ueber und untereinander stapeln. Abgeschlossen wird dieses Manoever durch das "Stuffen", der Bus-Stuffer wirft sich mit seiner ganzen Authoritaet und seinem ganzen Koerpergewicht gegen die erste Reihe/Spalte, damit sich die Tueren schliessen lassen.

Gegen Nachmittag machen wir uns auf den Weg zurueck nach Panaji, vonwoaus es spaeter nach Hampi weitergehen soll. Ich bin kurz abgelenkt, sodass ich unter "hurry, hurry" Rufen in den schon anfahrenden Bus springen muss. Der Bus-Stuffer nimmt mich laechelnd in Empfang und weisst mir meinen Platz zu ...

Freitag, 23. Januar 2009

Panaji

Dies wird ein Allgemeinplatz der mediokren Reiseberichterstattung.
Wir spazieren durch Panaji, diese Vorzeigestadt potugisischer Kolonialarchitektur in Indien; die Stadt der Farben; die Stadt in der sich die beruhigenden Pastelltoene des Mittelmeers mit den leuchtenden Farben Suedamerikas und den harten Kontrasten Indiens treffen. Wir spazierend durch enge Gassen die Rua de Jose Falcao oder Avenida Pe Agnelo heissen, erhaschen Gespraechsfetzen in einem hier noch gebraeuchlichen, alt-portugisischen Dialekt und kosten die lokale, Portwein geraenkte Kueche. Wir besichtigen die strahlende, kuehle, kalkweisse "Church of our lady of the immaculate conception", die Bischofsresidenz mit einem monstroesen Christus am Kreuz aus spiegelblanken Silber, der vom Garten auf einem der Huegel die Stadt bewacht.
Wir wandern durch ein ruhiges Viertel in der Abenddaemmerung, dass gesaeumt ist von beeindruckenden Villen im Kolonialstil, und nur um uns zu versichern dass wir noch immer in Indien sind besuchen wir den lachsfarbenen Hanuman Tempel, der im Abendrot zu gluehen scheint, wie um dem Prinzip der Hingabe seines Gottes gerecht zu werden. Am Fusse des Tempels baden zwei glaeubige Hindus in der Tempelquelle, bewacht von einem Rabenschwarm, der den Schrein zu seiner Heimat erklaert hat.



Als wir in unser Hotel zurueckkehren geraten wir in den Schulschluss; ploetzlich ist die ganze Strasse gefuellt mit Kindern in ordentlichen, blau-weissen Schuluniformen, die tobend wie Kinder ueberall auf der Welt den Weg nach Hause antreten.

Taxiimpressionen

Wir fahren mit dem Taxi von Arambol nach Panaji. Waehrend Goas Hinterland an uns vorueber fliegt, hier eine kleine Zusammenstellung der Dinge auf dem winzigen, mit buntem Stoff bezogenen Amaturenbrett:
Eine rot-golden bemalte Marienstatue aus Porzellan; ein glaesserner Elefant mit Baby; Pfauenfedern; unzaehlige Kugelschreiber und Bleistifte; eine Art Waschlappen; Plastikblumen; eine Ganesha Figur aus Silber; einige Strassenkarten; zwei Rosenkraenze; der mystische Vogel Garruda; ein lilafarbener Pudel; ein Krishnabildnis; ein Gremlin mit Sonnenbrille; eine Plueschkobra (neongruen-gelb); zwei Audiokassetten (eine davon offensichtlich kaputt); etwas Kleingeld (vielleicht Gluecksmuenzen?) und ein kleines ledergebundenes Notizbuch (Inhalt unbekannt, vielleicht eine Inventarliste?).

Donnerstag, 22. Januar 2009

Arambol

Nun sind wir schon drei Tage in Arambol, dem, Zitat, "neuen Zufluchstort der aus dem Paradis vertriebenen Hippies der 60er. Bescheidene Unterkuenfte ziehen Traveller aus aller Welt zu dem kleinen Ort mit seinem sichelfoermigen Strand mit den vielen kleinen Felsbuchten und manche gehen nie wieder."
Hier nun die Uebersetzung: Arambol war einmal das verlorene Paradies aller, die das Glueck hatten diesen Ort vor langer Zeit zu entdecken. Der wunderschoene sichelfoermige Strand mit den vielen kleinen Felsbuchten und die aus Korb geflochtenen Strandhuetten in den Klippen sind aber immer noch nahe an der Vorstellung dran wie es dort ausgesehen haben koennte.
Diesen Traum teilt man sich aber heute mit einer illustren Schar aus echten Blumenkindern, jungen Mode-Hippies, russischen und englischen Partytouristen und einigen, konservativ erzogenen Nordindern, die sich die verrueckten, europaeischen Nudisten anschauen wollen.
Trotzdem bin ich nach dem Gedraenge von Mumbay hier endlich dabei zu entspannen.
Wir haben eine kleine Korbhuette in den Felsen, das Meer brandet direkt vor unserer Tuer, ich gehe schwimmen, kann lange lesen und Musik hoeren und ich trinke den ganzen Tag frisch gepressten Pineapplejuice. Ich beginne lansamer zu atmen und habe vergessen welcher Wochentag heute ist. Ohne Uhr faellt es mir schwer die ungefaehre Tageszeit zu benennen.
Und so sitze ich nun an dieser feinen, weissgelben Linie wo das arabische Meer an den indischen Kontinent schwappt, hoere Dylan und lese Zagajewskis lyrisches Manifest. "Verfasser und Leser traeumen immer von einem grossen Gedicht, davon, es zu schreiben, zu lesen, zu leben. Das Gedicht zu leben: sich von ihm erheben, vertiefen, einen Moment lang erloesen zu lassen."
Ich lese von Gewittern in Paris und Krakau und das "l'enfer" gerade nicht die anderen sind, "sieht man sie in der Morgendaemmerung, wenn ihre Stirn noch klar ist."
Ich lese Susan Sontags Elegie auf die europaeische Idee, lese mit schattenhafem Unbehagen ueber "die Gemeinschaft, die sich den belebenden wirtschaftlichen Herausforderunegen des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts erfolgreich stellen soll."
Lese von Euro-Kitsch, Euro-Trash, Euro-Ausstellungen und Euro-Journalismus und die schleichende Umgestaltung der ehemals polyphonen europaeischen Kultur.
Lese aber auch von Vielfalt, Dichte, Ernst, Anspruch, von archimedischen Punkten der geistigen Entwicklung.
Susan Sontag beendet ihren Text mit einem Zitat von Gertrude Stein: "...aber wozu sind Wurzeln denn gut, wenn man sie nicht mitnehmen kann?"
Da ich lange nicht den hohen Ernst der Autorin teile und weil die Wellen gerade so wunderschoen branden, beende ich meinen Text lieber mit einem Zitat von Bob Dylan: "... but I was so much older then, I'm younger than that now!"

Montag, 19. Januar 2009

safrangelb

Safrangelbes Licht. Ich oeffne die Augen und das Zugabteil ist geflutet. Vor den Fenstern eine Abfolge von saftig gruenen Feldern, kaminroter Erde und dieser safrangelbe, indische Morgen.
Ein Schaffner bringt klebrig suessen Cafe und French Toast, informiert ueber die uebliche Verspaetung und eine Stunde spaeter spuckt uns der Zug mitten in der indischen Provinz wieder aus.



Der hektische Troubel von Mumbay wirkt hier wie aus einer anderen Zeit.
Am Bahnhofsgebaeude doesen zwei Taxifahrer in der morgendlichen Sonne, eine (heilige?) Kuh blockiert die Zuhfahrt zur bescheidenen Hauptstrasse. Von hier muessen wir noch einige Kilometer zur Kueste bewaeltigen, das unverschaemte Angebot des einen Taxifahrers schlagen wir aus und warten zusammen mit drei einheimischen Touristen aud Dehli auf den Bus. Wir haben Glueck, nach einer halben Stunde nimmt uns ein oertlicher Geschaeftsmann mit nach Arambol.


Sonntag, 18. Januar 2009

Darjeling limited


Vor ca. 10 Minuten hat unser Zug das Victoria Terminal in Bombay Richtung Pernem in Goa verlassen. Ankunftszeit ist voraussichtlich 9 Uhr am naechsten Morgen, sodass wir uns alle nach einem anstrenegenden Tag auf eine leidlich erhohlsame Nacht einrichten.
Waehrend der Zug durch die Randgebiete von Bombay zieht, ziehen unablaessig Verkaeufer durch die Abteile die lautstark "CoffeNescoffeCaiTeeBotteledwaterCoffeNescoffeCaiTee..." anpreisen.
Zum ersten Mal in Indien packe ich meinen Ipot aus, stecke mir die Kopfhoehrer in die Ohren und schotte mich von der Welt da draussen ab. Connor Oberst singt "there's nothing that the road cannot heal" und ich bin geneigt ihm ohne Abstriche zuzustimmen.


das erste Mal

Indien ist das Land der ersten Male.
Heute morgen war ich z.B. zum ersten Mal kurzzeitig schwanger. Morgendliche Uebelkeit gefolgt von schwallartigem Erbrechen gefolgt von sofortiger, kompletter Wiederherstellung des Wohlbefindens. Erzeuger ist wahrscheinlich das gestrige, schmackhafte Abendessen mit dem, Zitat, "sehr guten Preis Leistungsverhaeltnis"

Nun ja, wenn das alles ist was Indien mir entgegensetzt, dann PAH, das steck ich doch mal locker weg. Jetzt gehts mir uebrigens wieder super. Heute abend gehts mit dem Zug nach Pernem in Goa.
Tschuess Bombay ...