Nun sind wir schon drei Tage in Arambol, dem, Zitat, "neuen Zufluchstort der aus dem Paradis vertriebenen Hippies der 60er. Bescheidene Unterkuenfte ziehen Traveller aus aller Welt zu dem kleinen Ort mit seinem sichelfoermigen Strand mit den vielen kleinen Felsbuchten und manche gehen nie wieder."
Hier nun die Uebersetzung: Arambol war einmal das verlorene Paradies aller, die das Glueck hatten diesen Ort vor langer Zeit zu entdecken. Der wunderschoene sichelfoermige Strand mit den vielen kleinen Felsbuchten und die aus Korb geflochtenen Strandhuetten in den Klippen sind aber immer noch nahe an der Vorstellung dran wie es dort ausgesehen haben koennte.
Diesen Traum teilt man sich aber heute mit einer illustren Schar aus echten Blumenkindern, jungen Mode-Hippies, russischen und englischen Partytouristen und einigen, konservativ erzogenen Nordindern, die sich die verrueckten, europaeischen Nudisten anschauen wollen.
Trotzdem bin ich nach dem Gedraenge von Mumbay hier endlich dabei zu entspannen.
Wir haben eine kleine Korbhuette in den Felsen, das Meer brandet direkt vor unserer Tuer, ich gehe schwimmen, kann lange lesen und Musik hoeren und ich trinke den ganzen Tag frisch gepressten Pineapplejuice. Ich beginne lansamer zu atmen und habe vergessen welcher Wochentag heute ist. Ohne Uhr faellt es mir schwer die ungefaehre Tageszeit zu benennen.
Und so sitze ich nun an dieser feinen, weissgelben Linie wo das arabische Meer an den indischen Kontinent schwappt, hoere Dylan und lese Zagajewskis lyrisches Manifest. "Verfasser und Leser traeumen immer von einem grossen Gedicht, davon, es zu schreiben, zu lesen, zu leben. Das Gedicht zu leben: sich von ihm erheben, vertiefen, einen Moment lang erloesen zu lassen."
Ich lese von Gewittern in Paris und Krakau und das "l'enfer" gerade nicht die anderen sind, "sieht man sie in der Morgendaemmerung, wenn ihre Stirn noch klar ist."
Ich lese Susan Sontags Elegie auf die europaeische Idee, lese mit schattenhafem Unbehagen ueber "die Gemeinschaft, die sich den belebenden wirtschaftlichen Herausforderunegen des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts erfolgreich stellen soll."
Lese von Euro-Kitsch, Euro-Trash, Euro-Ausstellungen und Euro-Journalismus und die schleichende Umgestaltung der ehemals polyphonen europaeischen Kultur.
Lese aber auch von Vielfalt, Dichte, Ernst, Anspruch, von archimedischen Punkten der geistigen Entwicklung.
Susan Sontag beendet ihren Text mit einem Zitat von Gertrude Stein: "...aber wozu sind Wurzeln denn gut, wenn man sie nicht mitnehmen kann?"
Da ich lange nicht den hohen Ernst der Autorin teile und weil die Wellen gerade so wunderschoen branden, beende ich meinen Text lieber mit einem Zitat von Bob Dylan: "... but I was so much older then, I'm younger than that now!"