Dienstag, 27. Januar 2009

das Baby

... die Backen sind rosig und voll, der helle Teint verraet die europaeische Herkunft und das feine blonde Haar bedeckt noch nicht den ganzen kleinen Kopf. Ich kann nur den Kopf des Babys erkennen, das neugierig aus dem Fenster des Busses lugt, den Mund zu einem Laecheln geformt, die Augen glitzernd und mit einem Arm aufgeregt winkend.
Vor dem Bus stehen zwei indische Kinder, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, dunkle wirre Haare und in zerschlissene Hemden gehuellt. Sie strecken die leeren, geoeffneten Haende zum Fenster, oefnnen die Muender um etwas zu rufen, dass ich nicht verstehen kann und fuehren die Haende in einer ausladeneden Geste zu ihrem Mund und zurueck. Die andere Hand reibt den Bauch.

Ich sehe wieder zum Baby hoch, das nicht versteht, nicht verstehen kann. Es winkt, gluckst, laechelt und huepft aufgeregt auf und ab. Ich kann den Kopf seiner Mutter erkennen, der im Fenster erscheint und einen Arm, der sich um den den kleinen Koerper des Babys schmiegt und ich sehe ein deutliches Nein. Das Baby gluckst immer noch und laechelt, die indischen Kinder wiederholen ihre Geste bis der Bus langsam anfaehrt ... dann winken sie und ich sehe einen kleinen Arm im Fenster der zurueckwinkt.

Aber was habe ich in dieser Zeit getan, war ich nur Beobachter?
Um zu unserem Bus nach Hyderabad zu kommen muessen wir in die Randbezirke von Hospet fahren. In dem Moment in dem der Regionalbus uns wenige Auslaender ausspuckt sind wir von bettelnden Kindern umzingelt. Ich weiss dass jede vernuenftige Hilfsorganisation von Amnesty International bis Aerzte ohne Grenzen streng davon abraet bettelnden Kintern Geld zu geben. Ich weiss dass ich sie damit aus den Schulen auf die Strasse treibe, oft geschickt von der eigenen Familie; ich weiss dass ich damit langfristig keine Probleme loese sondern schaffe und das jeder Cent der an eine serioese Hilfsorganisation fliesst viel Gutes tun kann, jeder Cent der in eine dieser Haende wandert die Situation der Kinder oft nur verschlimmert.
Trotzdem fuehle ich mich miserabel. Ich weise ein Kind ab, das sich auf den Boden wirft und von Tourist zu Tourist kriecht und denke an die Cola fuer 20 Rs die ich vor der Abfahrt gekauft habe.
Ich weise zwei Kinder ab, eines schiebt den Rollstuhl des anderen. Ich weise zwei andere Kinder ab, hoechstens zehn Jahre alt, die sich beide in einer komplizierten Geste vor mir verbeugen.
Ich habe ca 1000 Rs in meinem Geldbeutel ... und ich kann nichts, rein gar nichts fuer diese Kinder tun.

Ich wuerde gerne etwas sagen oder denken das troestet oder Sinn schafft. Ich denke an ein Zitat von Barthes ueber Trost aber vor der Dimension dessen, was es bedeutet hier zu den Verlierern zu gehoeren, kommt mir alles was ich weiss, alles was ich denken kann klein und unbedeutend vor.

Wie kann man voruebergehen, weitergehen, als Lucky-me, der in der grossen Lotterie der Herkunft ein Gewinnerlos gezogen hat.
Ich weiss ich werde weitergehen, voruebergehen, mir bleibt nichts anderes uebrig. Ich werde spenden und ich werde den naechsten unbedeutenden Artikel schreiben, ueber Hyderabad oder das Essen, ich werde viel Geld fuer Schokolade und frisch gepressten Ananassaft ausgeben und ich werde glucksen und winken und nicht verstehen und mich in die wohlig, vertrauten Arme meiner Kultur, meines Landes und meiner privilegierten Herkunft schmiegen... Lucky-me, Lucky-you.
Und die Kinder in Hospet werden weiter grossen Reisebussen nachwinken, die sie nie betreten werden und die geliebte und beschuetzte Babys in fremde Welten bringen die sie nie sehen werden und sie werden winken und nicht verstehen und bleiben und auf den naechsten Bus warten.

1 Kommentar:

  1. Ich bin sicher du wirst einen weg finden, so viel zu tun wie dir möglich ist um eine verbesserung zu bewirken, mehr kannst auch du nicht von dir selbst verlangen!:)

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