Samstag, 31. Januar 2009

in Puri

Wir sind in Puri. Indisches Strandbad. Der gigantische Jagannath Tempel. Wichtiges Pilgerzentrum Shiva glaeubiger Hindus. Ein ehemalige Sommerhaus eines verarmten Maharadshas.



Gleich hinter dem grossen, hoelzernen Tor, hinter der ersten kalkweissen Mauer beginnt der Garten. Hinter mir die gerade noch laute, immer rot-staubige, aufdringliche Strasse mit ihren Geruechen und Fluechen, vor mir ein mit kleinen, graublauen Steinen ausgelegter Weg durch den satten Rasen, Schatten unter alten Baeumen und, links von mir, unter dem Vordach einer kleinen Wekstadt zwei doesende Hunde.
Um ins Haus zu kommen muss ich das zweite Tor, die zweite kalkweisse Mauer passieren, einige Stufen auf die Veranda, die Schuhe abstreifen, barfus auf matten Mamor dem Arkadengang folgen, vorbei an der Kueche in mittaeglicher Ruhe, die alte, hoelzerne Treppe zum ersten Stock links neben mir und dann nur noch eine hohe, geschnitzte Tuer in die Halle.
Es gibt eine Bibliothek von Austen bis Turgenew und eine Terasse mit einem langen, schweren Holztisch an dem sich abends alle Gaeste des Hauses versammeln.
Unser Zimmer hat eine ca. 6 Meter hohe Decke an der sich gemaechlich ein Ventillator dreht. Vor den drei Fenstern schwingen gemaechlich lange, safrangelbe Vorhaenge in der Meeresbrise (man kann das Meer sehen, riechen und die salzige, feuchte Luft auf der Haut spueren), davor steht ein altersweiser, dukler Schreibtisch. Die Betten stehen mitten im Raum und sind frisch bezogen, es gibt ein grosses Badezimmer in dem ein Gecko wohnt und frische Handtuecher.
Nach 24 Stunden in Zuegen und Bussen, nach einer heiss ersehnten Dusche, falle ich auf mein Bett und verbringe die letzten wachen Momente damit die Umdrehungen des Ventillators zu zaehlen.

Abends kommt hier soetwas wie Kolonialgefuehle auf. Zu den Gaesten die mit uns hier wohnen gehoert eine 40 jaehrige Schweizerin, die seit 2 Jahren mit ihrem Motorad die Welt bereist.
Sie vergleicht gerade ihre Route mit der eines schon ergrauten deutschen Weltenbummlers; Iran, Afganistan, Parkistan, dann ueber die Grenze bei Attari Einreise nach Indien, von dort geplant weiter nach Thailand, Kamodsha, mit dem Schiff nach Japan, dann nach China, Russland und schliesslich ueber den sibirischen Fruehling zurueck nach Europa.
Etwas weiter sitzt ein britisher Ingenieur, der gerade aus Afganistan kommt wo er fuer seine Firma eine Baustelle besichtigt hat, im Gespraech mit einer jungen australischen Theaterschauspielerin, die hier Urlaub macht. Eine junge Englaenderin und ihr kanadischer Freund sind gerade angekommen. Sie arbeiten in einem nahegelegenen Ort fuer eine Hilfsorganisation und betreuen dort Heimkinder.
Es gibt einen australischen Jogalehrer, der sich hier von seiner Zeit in einem indischen Ashram erhohlt, einen dauerkiffenden Schotten und eine 70 jaehrige Norwegerin ... und uns.

Beim Fruehstueck setzt sich die betagte Dame aud Norwegen neben mich. Sie hat sich ihren eigenen Kaese aus der Heimat, Butter und Brotaufstrich mitgebracht, weil "I, no like India food, so spice" Trotzdem wird sie gerade von einem Hustenanfall durchgeschuettelt und Brocken des norrwegischen Kaese verteilen sich auf dem Tisch. "Ahoh, bad here"
Als der indische Koch an uns vorueber geht stopt sie ihn, kramt kurz in ihrer Tasche und holt einen Bildband von Norwegen heraus den sie ihm herausfordernd unter die Nase haelt.
"Here, look, so nice and clean ... here not clean" das letzte mit einer Geste die den Tisch miteinschliesst auf dem immer noch die Kaesebrocken liegen.
Gegen Mittag verschwindet sie an den Strand, wovon ein monstroeser Sonnenbrand zeugt, und kommt mit Geschichten ueber die "funny Indians" zurueck, doch ihre groesste Sorge am Abend gilt den Moskitos. Ihre erste Frage wenn sie einen Raum betritt ist "Ohah, no Moskito here" oder die Feststellung "Ohah, Moskito here, they killing me" gefolgt von "Ohah, morrre Spray" woraufhin sie beginnt den Raum mit Chemikalien auszuraeuchern. "Ohah, they killing me, bad here"

Andererseits gibt es auch noch "Tiger Dave from Scottland", der neben seiner Vorliebe fuer berauschende Kraeuter und der Tatsache dass er schon seit einem Jahr hier im Hotel wohnt vorallem durch seine belesene, weltoffenen und ruhig vorgetragenen Ansichten auffaellt.
Er hat gerade aus dem Gedaechtnis fuer Judith einen detaillierten Stadtplan von Bankok gezeichnet und beginnt nun empfehlenswerte Hotels, Shops und Bars einzuzeichnen, inklusive Namen und Eigenarten des Besitzers.
Nach zirka einer halben Stunde sich auftuermender Fakten und Geschichten wende ich mich wieder dem Buch zu dass ich in der Bibliothek gefunden habe. Tolstoi passt vielleicht nicht nach Indien, aber hier neben mir koennte nun auch Graf aus "Zwei Hussaren" sitzen und ich wuerde mich nicht wundern.
Es gibt wohl keine Kolonialromantik, nicht fuer die Einheimischen in der Kueche und schon gar nicht fuer die wartenden Rikschafahrer vor dem Tor, fuer uns allerdings, die wir die Privilegien einer starken Waehrung geniessen, entfalten diese faulen Tage auf einer weiss getuenchten Terasse einen nebeligen Zauber, den man so nur in wehmuetigen Erinnerungen an eine vielleicht nie dagewesenen Vergangenheit erwartet haette.

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